Wie wäre es, wenn Du einfach mal egoistisch wärst? Ja, genau. Egoistisch. Keine Diskussionen und keine Kompromisse mehr. Einfach „Nein, danke.“ sagen und machen, was Du willst. Könntest Du Dir das erlauben?
Mir fiel mein Experiment, egoistisch zu sein, teilweise ganz schön schwer. Ich bin an manchen Stellen ziemlich angeeckt, für andere vielleicht unangenehmer, aber dafür sichtbarer geworden. Es viel mir schwer, obwohl ich bereits vieles für mich mache. Ein Prinzip der Gewaltfreien Kommunikation ist, dass hinter jeder Handlung mindestens ein Bedürfnis steht, das ich mir mit dieser Handlung erfülle. Doch damit ist nicht Schluss. Hinter der Handlungs-Bedürfnis-Ebene können unterschiedliche, unbewusste Programme stehen, kurz: welchen Wert gebe ich mir – welchen Wert gebe ich den anderen?
Was hat mir an dem Experiment gefallen?
Es hat mir Möglichkeiten eröffnet, anders zu handeln. Statt höflich bei einem Nachbarschaftsbesuch abzuwarten bis mir ein Platz zugewiesen wird, habe ich als erste gerufen: „Ich würde gern auf diesem Stuhl mit dem Fell drauf sitzen!“ Für mich ganz unerwartet hat sich die Gastgeberin gefreut, dass sie mir einen Wunsch erfüllen kann. Ich freue mich immer noch über die Erfahrung, dass ich andere erfreuen kann, wenn ich klar sage, was ich will!
Was genau ist mir so schwer an meinem Experiment gefallen?
Mein Bild von einem typischen Egoisten ist ein Mensch, der alles nur für sich macht. Der über Leichen geht, um das zu bekommen, was er will. Meine Angst, egoistisch zu sein, bestand hauptsächlich daraus, genau so ein Arschloch zu werden. Und ich mag an dieser Stelle keinen netteren Begriff verwenden, um eine schönere Sprache zu verwenden oder um Menschen nicht zu empören. Doch wer sagt, dass solche Arschlöcher nicht auch gebraucht werden? Das Verhalten ist weder gut noch schlecht – es trägt zu einem bestimmten Ergebnis bei. Und wie bei vielen Dualitäten kommt es hier vielleicht auch auf die Balance an, so dass jeder diesen „gesunden Egoismus“ entwickelt.